Inklusion ist nicht nur ein Wort! Statement zur Bundestagswahl 2025
Und dafür brauchen wir Ihr Ehrenwort- ein Statement zu den Bundestagswahlen
Als Lebenshilfe Landesverband Hessen e.V. setzen wir uns als Selbsthilfeorganisation, Fachverband und sozialer Dienstleister gemeinsam mit unserem Bundesverband, unseren Mitgliedsorganisationen, Mitgliedern, Menschen mit Behinderung, Eltern, Angehörigen, Mitarbeitenden und der Gemeinschaft aller Lebenshilfen in Deutschland insbesondere für mehr Teilhabe und Lebensqualität von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit kognitiven Beeinträchtigungen ein.
Vielfalt, Toleranz, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Partizipation und Solidarität mit Benachteiligten prägen unsere Arbeit und unser Selbstverständnis.
Die Wahlprogramme aller Parteien zur Bundestagswahl 2025 überzeugen uns beim Thema „Teilhabe von Menschen mit Behinderung“ nicht. Das Versprechen zur Umsetzung der UN-BRK rückt in den Programmen sehr in den Hintergrund. Mit sechs ausgewählten Forderungen melden wir uns daher kurz vor der Bundestagswahl zu Wort, damit die Bedarfe von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und anderen Behinderungen nicht in Vergessenheit geraten.
Und vor allem damit Inklusion in der neuen Legislaturperiode und allen weiteren -perioden nicht nur ein Wort bleibt.
- Der rote Faden: Personenzentrierung
Bei all den Diskussionen um Haushalte, Finanzen, Fachkräftemangel und Bürokratisierung darf das Hauptziel der UN-BRK nicht aus dem Auge verloren werden: Das Abschaffen von Barrieren, um Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Personenzentrierung muss sich wie ein roter Faden durch Bedarfsermittlung, Leistungsbescheide und Dienstleistungserbringung ziehen. Der Rechtsanspruch auf bedarfsdeckende Leistungen darf nicht in Vergessenheit geraten. Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Menschen mit Behinderung müssen in alle sie betreffenden Angelegenheiten eingebunden werden.
- Fach- und Arbeitskräftemangel beheben für mehr Lebensqualität von Menschen mit Behinderung
Der Kollaps ist nah. Sehr nah. Der Fach- und Arbeitskräftemangel in der Eingliederungshilfe nimmt bereits jetzt, vor dem Ausscheiden der meisten Babyboomer aus dem Berufsleben, zum Teil dramatische Formen an und führt sogar dazu, dass Angebote für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung wegfallen und so Teilhabe unmöglich wird. Daher fordern wir mehr Einsatz der Politik bei der Bewältigung dieser Herausforderung. Zum Beispiel durch die Abschaffung des Schulgelds für Ausbildungen in der Eingliederungshilfe, die Ermöglichung von Recruiting und Kampagnen auf Augenhöhe mit Weltmarktführern und Bundesbehörden, die Unterstützung von Seiteneinsteigern, die schnellere Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen und die Reform des Zeitarbeitsgesetzes.
Wir brauchen verlässliches und schnelles politisches Engagement für mehr Arbeitskräfte in der Eingliederungshilfe.
- Bessere Arbeitsbedingungen in der Eingliederungshilfe
Die Grundlage für eine effektive Personalakquise, für Mitarbeitenden-Bindung sowie für eine fachlich fundierte Assistenz von Menschen mit Behinderung sind gute Arbeitsbedingungen. Ähnlich wie in der Pflege sind häufig Schicht-, Wochenend- bzw. Feiertagsarbeit sowie Nachtbereitschaft, insbesondere in den besonderen Wohnformen, an der Tagesordnung. Damit dieser Nachteil zum Vorteil wird, fordern wir u.a.: Flächendeckenden Tariflohn, ausreichende Zeitressourcen für die Face-to-Face Arbeit mit den Klienten sowie Angehörigen und für mehr Sozialraumorientierung, Zeiten für die Anleitung von Neulingen und Auszubildenden, Supervision und Fortbildung, Springer bei Ausfällen, ausreichende Personalschlüssel, eine moderne Arbeitsplatzausstattung, vergleichbare Arbeitsbedingungen mit Zeitarbeitsfirmen und moderne Arbeitszeitmodelle.
Wir brauchen eine verlässliche Finanzierung guter Arbeitsbedingungen und entsprechende Regelungen in Gesetzen und Rahmenverträgen der Eingliederungshilfe.
- Mehr Vertrauen kann Verwaltung entlasten und Bürokratie ersetzen
Die bürokratischen Anforderungen an Menschen mit Behinderung, deren rechtliche Betreuer, Einrichtungen der Eingliederungshilfe und an die Behörden sind enorm geworden. Immer mehr Zeit muss von allen Beteiligten für Dokumentation, Anträge, regulatorische Vorgaben, Nachweise etc. aufgebracht werden. Immer weniger Zeit entfällt auf die direkte Assistenz von Menschen mit Behinderung. Ohne ein gewisses Maß an Bürokratie geht es nicht, sie sollte aber ausschließlich der Qualität der Sozialen Arbeit und der Zufriedenheit der Klienten dienen.
Mehr Vertrauen in die effiziente Verwendung der zur Verfügung stehenden Ressourcen und mehr Zutrauen in die fachliche Arbeit der Dienste sollte an die Stelle mancher bürokratischen Prozesse treten.
- Mehr Bauen für mehr selbstbestimmtes Leben
Viele Menschen mit Behinderung sind auf Grundsicherung angewiesen und finden mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, nicht nur in Ballungsgebieten, keine bezahlbare, barrierefreie Wohnung. Die Ergebnisse unserer hessischen Wohnraummangelstudie „Extremsport Wohnungssuche“ von vor 5 Jahren sind leider immer noch aktuell. Das muss sich ändern.
Wir fordern daher, dass in Deutschland mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht und alle vom sozialen Wohnungsbau geförderten Wohnungen barrierefrei sind.
- Gelebte Demokratie und Solidarität: Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt
Ehrenamtliches Engagement ist eine sehr wichtige Säule in unserem Land. Sie ist gelebte Demokratie und Solidarität. Tagtäglich. Daher fordern wir gute Rahmenbedingungen für gemeinnützige Vereine und das freiwillige Engagement von Bürgern in Deutschland. Egal ob als Vorsitzende einer Lebenshilfe, als Übungsleiter im Sportverein, als ehrenamtliche Betreuerin einer inklusiven Ferienfreizeit, als ehrenamtlicher rechtlicher Betreuer oder als FSJlerin in einer Kindertagesstätte. Ehrenamtliche brauchen Anerkennung, Anreize und kaum Barrieren zur Aufnahme eines Amtes, einer Funktion, eines Dienstes für die Gesellschaft oder eines Freiwilligendienstes.
Und zu guter Letzt?
Wir brauchen eine weltoffene Gesellschaft in der Pluralität und Diversität als Chance und Bereicherung begriffen werden und in der Teilhabe für alle Menschen möglich gemacht wird.
Damit Inklusion nicht bloß ein Wort bleibt!