Contra Fachkräftemangel: Image, Bezahlung und Zugangsvoraussetzungen
Fachkräftemangel in sozialen und pflegerischen Einrichtungen ist ein großes Thema. Mit der neuen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Fachschulen für Sozialwesen (Fachrichtung Heilerziehungspflege) in Hessen wird es noch schwerer, geeignete Fachkräfte auszubilden, befürchten Fachschulen und der Berufsverband für Heilerziehungspflege in Hessen. Diese diskutierten am 16. Oktober mit den bildungspolitischen Sprecher/innen der vier Fraktionen: Lutz Köhler (CDU), Ulrike Alex (SPD), Mathias Wagner (B90/Die Grünen), Gabriele Faulhaber (Die Linke) sowie Heilerziehungspfleger Lucas Rieger an der Akademie der Mission Leben in Darmstadt. Es moderierte Alexander Mühlberger, Geschäftsführer des Landesverbandes der Lebenshilfe Hessen, die gemeinsam mit der Akademie der Mission Leben Veranstalter war. Im Publikum saßen ca. 80 Personen: (ehemalige) Studierende der Heilerziehungspflege, Schulleitungen, Lehrkräfte und Referent/innen, Vertreter der Träger sowie Einrichtungsleitungen.
Dr. Klaus Bartl, Sprecher der Geschäftsführung von Mission Leben eröffnete die Veranstaltung: „Wir brauchen gute und genügend Leute für unsere Arbeit und hoffen, dass die Weichen gut gestellt sind, damit wir diesem Ziel näherkommen.“ Damit die UN-Behindertenrechtskonvention für gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft sichergestellt werden kann, braucht es Assistenten wie Heilerziehungspfleger/innen, die Menschen mit Behinderungen begleiten und ihre größtmögliche Selbstständigkeit und Selbstbestimmung fördern. Der Fachkräftemangel führe oft dazu, dass die UN-Behindertenrechtskonvention in den Hintergrund trete.
Was ist sinnvoll, um die Ausbildung weiterhin attraktiv zu gestalten?
Eine kontroverse Diskussion entfachte das Thema Zugangsvoraussetzungen, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt sind. Derzeit dauert eine Ausbildung der Heilerziehungspflege in Hessen je nach Zugangsvoraussetzung 5-6 Jahre. Einige Vertreter von staatlichen Schulen waren der Meinung, die Zugangsvoraussetzungen dürften nicht weiter erleichtert werden, um die Qualität des Berufes nicht zu beeinträchtigen. Hingegen forderten 9 von 12 Fach- und Privatschulen in einem Positionspapier, die Zugangsvoraussetzungen auf dem Niveau der bisherigen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zu belassen. Demnach benötigen Auszubildende mit einem mittleren Bildungsabschluss eine 2-jährige Ausbildung zur Sozialassistent/in, vergleichbar mit 3 Jahre Praxiserfahrung. Diese Studierenden machen schon heute im Schulalltag einen Anteil von mindestens 75 Prozent aus, berichtete ein Schulleiter aus dem Vogelsberg: „Wir haben einen hohen Anteil an Quereinsteiger/innen. Durch die neue Verordnung werden wir einen drastischen Rückgang an Bewerbern haben“. „Mit der neuen Verordnung wäre ich nicht hier“, wirft eine Heilerziehungspflegerin mit mittlerer Reife ein. „Das wäre schade, denn ich habe dafür als Alleinerziehende vieles auf mich genommen und liebe meinen Beruf“.
„Der Fetisch der langen Ausbildung leuchtet mir nicht ein. Eine 2-jährige Vorbildung müsste reichen“, so Mathias Wagner von B90/Die Grünen. Die Diskussion über eine lange Vorbildung sei ein akademischer Luxusgedanke, denn viele Stellen blieben heute schon unbesetzt, so der Vertreter eines großen diakonischen Trägers von Arbeitgeberseite. Es sollte vielmehr darum gehen, den Berufseinstieg attraktiv zu gestalten. Gefordert wird auch eine bessere Bezahlung des Berufs. In einem zweiten Teil der Diskussion ging es um eine Verbesserung des Images. Manche äußerten, dass der Beruf noch nicht so bekannt sei. Es wurde u.a. eine gemeinsame Image-Kampagne vorgeschlagen. Teil dessen müsste sein, dass die Attraktivität des Berufs mit einer angemessenen Bezahlung als Fachkraft und einer kostenfreien Ausbildung verknüpft wird.
Forderungskatalog an das Kultusministerium
Mathias Wagner versprach, einen Forderungskatalog mit Positionen der Fachschulen an das Kultusministerium weiterzugeben. Denn: „Es fand bisher kein Dialog zu der Verordnung statt“. In dieser Woche findet ein Treffen der Landesarbeitsgemeinschaft der Fachschulen statt. Das Interesse, an dem Thema weiterzuarbeiten, ist groß, so Schulleiterin Christiane Liersch von der Lebenshilfe Hessen. Sie forderte u.a. eine Gleichstellung von staatlichen und privaten Fachschulen. Die Finanzierung der Privatschulen sollte von 75 auf 100 Prozent erhöht werden, damit die Studierenden an Privatschulen kein Schulgeld bezahlen müssen. Denn die Absolvent/innen werden dringend auf dem Arbeitsmarkt gebraucht.